Stefan Schuster fordert ein neues Personalvertretungsgesetz

Rede des Abgeordneten im Landtag (Text + Video)

  • von  Team Schuster
    03.05.2018
  • Landtag, Featured, Öffentl. Dienst, Reden

Gesetzentwurf der SPD für ein neues Personalvertretungsgesetz

Zusammenfassung der Rede

Die Rede im Wortlaut

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen!

Das Recht der Personalvertretung ist im Gegensatz zum Betriebsverfassungsgesetz nicht bundesweit geregelt, sondern kann vom Bund und von den Ländern eigenständig geregelt werden. Bei einem Vergleich des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes mit den entsprechenden gesetzlichen Regelungen in anderen Ländern wird deutlich, dass das Bayerische Personalvertretungsgesetz nicht mehr zeitgemäß ist und es in anderen Ländern bereits viel fortschrittliche-re Regelungen gibt. Die Personalvertretungen in Bay-ern haben deutlich weniger Rechte und schlechtere Arbeitsbedingungen.Die SPD-Landtagsfraktion hat sich deshalb entschlossen, einen Gesetzentwurf zu grundlegender Reform vorzulegen. Wir wollen ein modernes Bayerisches Personalvertretungsgesetz. Wir wollen, dass Bayern bei der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Spitze wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Bayern sind wesentliche Änderungen für eine umfassende und nachhaltige Ausweitung der Rechte der Personalvertretungen erforderlich. Das beginnt mit einem Zuwachs an Mitbestimmungsrechten und einer Stärkung der Personalräte und reicht bis hin zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Informationsmöglichkei-ten für die Personalräte. Die Praxistauglichkeit dieses für Bayern innovativen Ansatzes ist seit geraumer Zeit bekannt.

Dafür zwei Beispiele. Erstens: Im Gegensatz zum Bayerischen Personalvertretungsgesetz haben die Personalvertretungen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen durch die sogenannte Allzuständigkeit das Recht auf eine umfassende Mitbestimmung. Zweitens: In Nordrhein-Westfalen gelten analog dem Betriebsverfassungsgesetz bei den Freistellungen der Personalräte die im Vergleich zum Bayerischen Personalvertretungsgesetz weitaus besseren Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der öffentliche Dienst als größter Arbeitgeber im Freistaat ist mit seinen circa 650.000 Beschäftigten in der heutigen Zeit des Fachkräftemangels einem starken Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um das Personal ausgesetzt. Gute Arbeitsbedingungen und eine moderne Mitbestimmung können durchaus ein Kriterium bei der Berufswahl junger Menschen sein. Von attraktiven Arbeitsbedingungen profitieren somit nicht nur die Bediensteten, nein: Gute Arbeitsbedingungen stärken den öffentlichen Dienst und damit das Gemeinwesen und den Freistaat insgesamt.

Ohne den hoffentlich intensiven und insbesondere konstruktiven Beratungen im Haushalts- und Verfas-sungsausschuss und vor allem natürlich im federführenden Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes vorzugreifen, möchte ich dennoch einige wesentliche Reformvorschläge unseres Gesetzent-wurfs darstellen.

Erstens: Mit der Allzuständigkeit des Personalrats wollen wir eine grundsätzlich gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Personalvertretung und Dienststellenleitung erreichen. Die Allzuständigkeit des Personalrats ist deshalb der Kern einer umfassenden und damit auch zeitgemäßen Mitbestimmung. Der Personalrat bestimmt bei der Allzuständigkeit bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen mit. Die Allzuständigkeit ist eine Generalklausel. Sie ersetzt die lange Liste von Mitbestimmungsrechten und schwächeren Mitwirkungsrechten. Wie die Erfahrungen mit der Allzuständigkeit zeigen, fördert sie den partnerschaftlichen Umgang zwischen der Dienststellenleitung und der Personalvertretung. Sie dient der Rechtssicherheit und vermeidet Rechtsstreitigkeiten zwischen Personalrat und Dienststelle. Die Allzuständigkeit gilt bereits in Schleswig-Holstein, Niedersach-sen und Bremen. Mit ihr kann auch schnell und ohne permanente Änderung des Personalvertretungsgeset-zes auf die dynamischen Entwicklungen im öffentli-chen Dienst reagiert und können Mitbestimmungslücken verhindert werden.

Zweitens: Wir wollen auch in Bayern eine deutlich verbesserte Freistellungsstaffel für den örtlichen Personalrat analog der Regelung im Betriebsverfassungsgesetz und analog dem Landespersonalvertretungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. In Bayern wird beispielsweise das erste Personalratsmitglied in Dienststellen ab 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern freigestellt, in Nordrhein-Westfalen schon ab 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Fortschritte werden deutlich, wenn wir nur kurz den unteren Bereich der Freistellungsstaffel betrachten. In Nordrhein-Westfalen gibt es eine erste Freistellung schon ab 200 Beschäftigten, in Bayern erst ab 400 Beschäftigten. In Nordrhein-Westfalen gibt es zwei Freistellungen ab 500 Beschäftigten, in Bayern erst ab 800 Beschäftigten. In Nordrhein-Westfalen gibt es drei Freistellungen schon ab 900 Beschäftigten, in Bayern erst ab 1.600 Beschäftigten. In Nordrhein-Westfalen gibt es 4 Freistellungen schon ab 1.500 Beschäftigten, in Bayern ab 2.400 Beschäftigten usw. usf. – Wir halten diese verbesserte Freistellungsstaffel für dringend erforderlich, um den Personalräten angesichts der wachsenden Herausforderungen mehr Zeit für die Erledigung ihrer Arbeit zu geben. Diesen Bedarf sehen wir auch bei den Gesamtpersonalräten.

Drittens: Wir wollen eine verbesserte Arbeitsmöglichkeit für die Personalräte. In Verbindung mit der Freistellungsstaffel soll es ein Personaltableau geben, in dem das Büropersonal für den Personalrat ausgewiesen ist. Das heißt: Für jeden freizustellenden Personalrat ist eine halbe Stelle für Büropersonal vorzusehen. Zur Stärkung der Arbeitsplätze der freigestellten Personalräte wird damit die Personalausstattung des Personals nicht mehr vom unbestimmten Rechtsbegriff der Erforderlichkeit, sondern von der Größe des Gremiums abhängig gemacht. Manche Dienststellen haben sich bisher leider geweigert, dem Personalrat eine Bürokraft zur Verfügung zu stellen. Die Personalräte mussten beispielsweise in den Personalratssitzungen die Protokolle selber führen. Dafür wäre mit unserem Gesetz jetzt eine Bürokraft zuständig. Bis zur Untergrenze der Freistellung, also 199 Beschäftigte, verbleibt es wie bereits jetzt bei der Erforderlichkeit der Personalausstattung von Fall zu Fall. Diese Regelungen verbessern die Arbeitsbedingungen der Personalräte deutlich, da sie von administrativen Aufgaben entlastet werden und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.

Viertens: Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir Verbesserungen für die Personalvertretung bei Schulungen und Unterrichtsanspruch. Ein klassischer Streitpunkt an den Dienststellen ist, ob Personalratsmitglieder und jeweils das erste Ersatzmitglied unter Fortzahlung der Bezüge Gewerkschaftsveranstaltungen, die keine reinen Schulungen sind, besuchen dürfen. Künftig wäre dies zulässig, sofern Kenntnisse vermittelt werden, die für die Tätigkeit im Personalrat erforderlich sind. Da die bestehende Regelung zur Teilnahme an Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen den Mitgliedern des Personalrats keinen Anspruch auf Teilnahme an Veranstaltungen mit dienstlichem Bezug und/oder Bedeutung für die Arbeit als Personalrat gibt, welche über die enge Formulierung der Schulung oder Fortbildung hinausgehen, wird der Gesetzeswortlaut um diese Veranstaltungen ergänzt. Das ist eine langjährige Forderung der Gewerkschaften, des DGB und von Ver.di. Der Unterrichtungsanspruch erhält im Gesetzentwurf einen eigenen Artikel, um seine Bedeutung zu unterstreichen. Der Unterrichtungsanspruch wird an die a-tuellen Bedürfnisse der Unterrichtung, der Anhörung und der Information der Personalräte angepasst.

Fünftens: Wir, die SPD, wollen die Möglichkeit der Gründung eines sogenannten Wirtschaftsausschusses. Diese Regelung ist dem Betriebsverfassungsge-setz und dem Landespersonalvertretungsgesetz in Nordrhein-Westfalen nachgebildet und stellt ein erweitertes Informationsrecht für die Personalvertretungen dar. In Nordrhein-Westfalen steht der Wirtschaftsausschuss den Personalvertretungen seit 2011 zur Verfügung.In Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 ständig Beschäftigten wird auf Antrag des Personalrats ein Wirtschaftsausschuss gebildet. Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten der Dienststelle zu beraten und den Personalrat zu unterrichten. Er ist rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten zu unterrichten. Das sind zum Beispiel die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Dienststelle, beabsichtigte Investitionen, Rationalisierungsvorhaben, Einführung neuer Arbeits- und Managementmethoden und Fragen des betrieblichen Umweltschutzes.

Kolleginnen und Kollegen, ich komme nun zum Schluss.

Ein effizienter öffentlicher Dienst ist von einem intakten Vertrauensverhältnis zwischen Beschäftigten und Dienstherrn und der Möglichkeit zur demokratischen Mitgestaltung des öffentlichen Diens-tes gekennzeichnet. Deshalb ist eine grundlegende Novellierung unumgänglich. Ziel der Novellierung sind die Verbesserung und Stärkung der Personalratsarbeit durch die Einführung einer lückenlosen Mitbestimmung im öffentlichen Dienst sowie verbesserte Informations- und Arbeitsbedingungen der Personalräte. Wir wollen ein partnerschaftliches Zusammenwirken auf Augenhöhe. Wir freuen uns auf die weiteren Beratungen und hoffen, dass es gemeinsam gelingen wird, diese grundlegende Reform des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode zu realisieren. Wir wollen dabei immer das Ziel im Blick behalten: Wir wollen, dass Bayern bei der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Spitze wird.

Die Rede in voller Länge